Modellerklärung und Buch-Review: Die 5 Dysfunktionen eines Teams

Lencioni, Patrick (2002). The Five Dysfunctions of a Team. A Leadership Fable. Jossey-Bass. 30,81€
Lencioni, Patrick (2014). Die 5 Dysfunktionen eines Teams. Wiley-VCH. 21,99€

Erfolgreiches Produktmanagement steht und fällt damit, wie gut die Teams funktionieren, mit denen man arbeitet. Diese Aussage trifft bereits auf das eigene Engineering-Team zu, gewinnt aber noch mehr an Gewicht, wenn man bedenkt, dass viele von uns in mehreren Teams gleichzeitig arbeiten. Beispielsweise agieren wir als PMs eines operativen Entwicklungsteams und sind zugleich Teil eines Teams mit anderen Produktpersonen. Daher ist es essenziell zu verstehen, wie Teams funktionieren und wie man Dysfunktionen entgegenwirken kann. In seinem Buch Die 5 Dysfunktionen eines Teams stellt Patrick Lencioni in Form einer Business-Fabel und einer anschließenden Zusammenfassung ein Modell vor, das genau dabei helfen soll. Was es mit diesem Modell auf sich hat und ob sich die Lektüre für Produktmanager und -managerinnen lohnt, erfahrt Ihr in den folgenden Absätzen.

Einfach erklärt: Das Modell der 5 Dysfunktionen eines Teams

Wann funktioniert ein Team nicht, und wo setzt man an, wenn die Zusammenarbeit ins Stocken gerät? Das Modell beschreibt fünf typische Fallen, die in vielen Teams auftreten.

Dysfunktion 1: Abwesenheit von Vertrauen

Vertrauen bedeutet davon auszugehen, dass alle Teammitglieder, einschließlich man selbst, mit guten Intentionen die bestmögliche Arbeit leisten. Vertrauen heißt auch, dass kein Grund besteht, strategisch zu kommunizieren oder sich zu schützen, da ein gutes Maß an psychologischer Sicherheit gegeben ist.

Fehlendes Vertrauen erkennt man daran, dass individuelle Schwächen kaschiert werden, Feedback ungern erfragt wird und Teammitglieder sich scheuen, einander auf die Füße zu treten. Teams mit hohem Vertrauen hingegen sprechen Probleme offen und respektvoll an und haben keinen Bedarf an politischem Verhalten.

Dysfunktion 2: Angst vor Konflikten

Es gibt viele Situationen, in denen verschiedene Interessen aufeinandertreffen. Soll ein stärkeres UX-Design priorisiert werden, obwohl die Entwicklung dadurch aufwändiger wird? Wird technische Schuld sofort beseitigt oder erst im nächsten Quartal? Wird ein Feature gebaut, das das Marketing-Team entlastet, oder schaffen wir mehr Wert für die Endnutzer?

Teams mit Angst vor Konflikten haben Schwierigkeiten, solche Fragen schnell und produktiv zu klären. Stattdessen verharren sie im Abwarten. Häufig enden Meetings damit, dass ein Thema zwar angesprochen, eine Entscheidung aber vertagt wird.

Dysfunktion 3: Fehlendes Engagement

Engagement schafft Klarheit und Einigkeit. Starke Teams wissen, dass Konsens selten vollständig erreicht wird. Es ist normal, Entscheidungen mitzutragen, die man persönlich anders getroffen hätte. Diese Teams erkennen, dass das entschlossene Umsetzen einer vielleicht suboptimalen Entscheidung häufig besser ist, als keine Entscheidung zu treffen.

Fehlt Engagement, werden Entscheidungen ständig neu diskutiert, was zu einer Atmosphäre der Unklarheit führt, was wiederum das Handeln verlangsamt. Engagierte Teams hingegen verfolgen ihre Ziele entschlossen und passen sich ohne Zögern an, wenn sich Ziele einmal ändern.

Dysfunktion 4: Scheu vor Verantwortlichkeit

Die besten Teams setzen hohe Standards und nehmen alle Mitglieder in die Verantwortung, diese zu erfüllen. Schwache Leistungen einzelner werden nicht ignoriert, sondern respektvoll angesprochen und sanktioniert.

Fehlt diese Verantwortlichkeit, äußert sich das in dauerhaftem Unmut über schwache Leistungen Einzelner, ohne dass dies wirkungsvoll adressiert wird. Dies führt zu mittelmäßigen Ergebnissen. Starke Teams hingegen, nehmen sich gegenseitig in die Pflicht und treiben sich gegenseitig zu Höchstleistungen an.

Dysfunktion 5: Fehlende Aufmerksamkeit für Ergebnisse

Starke Teams behalten stets die gemeinsamen Ziele im Fokus. Sie stellen die Organisationsziele über individuelle Bedürfnisse und suchen nicht nach taktischen Vorteilen für sich selbst.

Woran erkennt man das Niveau der Aufmerksamkeit für Ergebnisse? Dysfunktionale Teams stagnieren in ihrer Leistung, was engagierte Mitglieder frustriert. Starke Teams erkennen, dass langfristiger Teamerfolg allen mehr bringt als individuelle Vorteile.

Teams entwickeln: Vom Fundament zur Spitze der Pyramide

Das Bild einer Pyramide, wie es im Buch gezeichnet wird, ist kein Zufall: Es verdeutlicht, dass die unteren Ebenen die Grundlage für die oberen schaffen. Fehlt es beispielsweise an Vertrauen, neigen Teammitglieder dazu, ihre Arbeitsergebnisse zu beschönigen, sodass man über Verantwortlichkeiten oder Ergebnisse gar nicht sprechen kann. Wer das Modell auf sein Team anwendet und gleich an mehreren Punkten Verbesserungsbedarf sieht, sollte sich daher der Reihe nach von Dysfunktion 1 zu Dysfunktion 5 vorarbeiten.

Meinung: Sinnvoll und wissenschaftlich fundiert – oder nur schön klingende Wörter?

In über einem Jahrzehnt Produktarbeit hat mir das Modell der 5 Dysfunktionen immer wieder als wertvolle Orientierungshilfe gedient, wenn es in einem Team hakte. Zwar konnte ich nicht immer alle Probleme lösen, doch hat es mir enorm geholfen, die Ursachen des Nicht-Funktionierens zu erkennen. Kein Wunder! Denn auch wenn das Buch es nicht explizit erwähnt, basieren die Dysfunktionen und ihre funktionalen Lösungen auf einem breiten wissenschaftlichen Konsens.

Beispielsweise zeigte Googles Project Aristotle, dass psychologische Sicherheit der wichtigste Faktor für Teamperformance ist – eine klare Parallele zu Dysfunktion 1, dem fehlenden Vertrauen. Die Angst vor Konflikten wiederum findet sich im Konzept des Groupthink von Sozialpsychologe Irving Janis. Fehlendes Engagement spiegelt Aspekte der Goal-Setting-Theory von Edwin Locke und Gary Latham wider, während die Scheu vor Verantwortlichkeit mit dem Konzept des Social Loafing korreliert, das bereits vor 100 Jahren von Max Ringelmann erforscht wurde. Auch die Stärke der gemeinsamen Zielverfolgung in Dysfunktion 5 findet sich im Konzept der Collective Efficacy wieder, das unter anderem von Albert Bandura untersucht wurde.

Besonders bemerkenswert finde ich, dass das Modell trotz seines Alters von über 20 Jahren immer noch hochaktuell ist. Dank der wissenschaftlichen Erdung handelt es sich also um ein generalisierbares und zeitloses Modell, welches auch heute guten Gewissens eingesetzt werden kann.

Für wen lohnt sich das ganze Buch?

Wie hier wird das Buch oft in Artikeln besprochen, die nur die fünf Dysfunktionen zusammenfassen. Tatsächlich wird das Modell im Buch allerdings in Form einer „Leadership Fable“ präsentiert – einer fiktiven Erzählung, in der die Transformation des Management-Teams von DecisionTech Inc. geschildert wird. Die Geschichte ist unterhaltsam, kommt jedoch in seiner Lehrsamkeit nicht ganz um einen gewissen Cringe-Faktor umher. Da das Modell nur auf den letzten 30 Seiten ausführlich behandelt wird, empfehle ich das Buch wirklich nur, wenn Ihr das Genre der Business-Fiktion aushaltet.

Fazit: ‘Die 5 Dysfunktionen eines Teams’ - Immer noch relevant!

Ob als Produktmanager oder in jeder anderen Rolle: Wann immer es in Teams kriselt, lohnt sich ein Blick auf Die 5 Dysfunktionen eines Teams. Mit wissenschaftlicher Fundierung und dem bestandenen Test der Zeit lenkt das Modell den Fokus auf Aspekte, die Teams stärken können. Besonders dann, wenn Ihr als Teamleader agiert oder diesen an Eurer Seite habt, gibt Euch das Modell gute Chancen, die Situation zu verbessern.

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